Vergabekammer Westfalen, Beschluss vom 4. Juli 2025 – VK 3-31/25

12. Oktober 2025 - Vergaberecht

Die Entscheidung betrifft ein Vergabeverfahren zur Lieferung von Elektro- und Steuerungstechnik für kommunale Gebäude. Ein Bieter hatte im Teilnahmeantrag keine ladungsfähige Anschrift angegeben, sondern lediglich ein Postfach sowie eine allgemeine E-Mail-Adresse benannt. Der Auftraggeber ließ den Bieter dennoch zum Verfahren zu, da dessen Verwaltungssitz aus dem beigefügten Handelsregisterauszug eindeutig hervorging. Ein Mitbewerber beantragte daraufhin die Nachprüfung und machte geltend, der Auftraggeber habe einen unvollständigen Antrag zu Unrecht zugelassen.

Die Vergabekammer Westfalen gab dem Nachprüfungsantrag statt. Sie stellte klar, dass die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift zwingende Voraussetzung für die formgerechte Teilnahme am Vergabeverfahren ist. Eine Postfachadresse oder ausschließlich elektronische Kontaktangaben genügen nicht. Nur eine physische Anschrift ermöglicht eine rechtssichere Zustellung und ist damit wesentlicher Bestandteil der Eignungsprüfung nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 c GWB in Verbindung mit § 44 VgV.

Zur Begründung führte die Kammer aus, dass Auftraggeber verpflichtet sind, die Existenz, Identität und Erreichbarkeit der Bieter zweifelsfrei festzustellen. Der formale Anforderungskatalog des Vergabeverfahrens sei strikt einzuhalten; selbst geringfügige Abweichungen können den Ausschluss rechtfertigen. Die Kammer hob hervor, dass die Vergabestellen keine Ermessensfreiheit besitzen, wenn ein zwingendes Formerfordernis nicht erfüllt ist.

Die Entscheidung zeigt die ausgeprägte Formstrenge des Vergabeverfahrens und verdeutlicht, dass selbst formale Angaben, die scheinbar nebensächlich erscheinen, entscheidend sein können.

Wir teilen diese Auffassung allerdings nicht uneingeschränkt. Im vorliegenden Fall war die Anschrift des Unternehmens nach Aktenlage bereits im Handelsregisterauszug eindeutig als Verwaltungssitz ausgewiesen und für den Auftraggeber ohne weiteres erkennbar. Unter diesen Umständen erscheint die Sanktion des vollständigen Ausschlusses als übermäßig streng. Ein solcher Formalismus steht in Spannung zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Ziel eines offenen Wettbewerbs.

Gleichwohl macht die Entscheidung deutlich, dass Auftraggeber künftig streng darauf achten müssen, dass sämtliche Pflichtangaben – einschließlich der ladungsfähigen Anschrift – ausdrücklich im Teilnahmeantrag enthalten sind, auch wenn sie sich aus anderen beigefügten Unterlagen ergeben.