Die Vergabekammer des Bundes entschied im Verfahren VK 2-19/24 über ein Nachprüfungsverfahren, in dem es um die Frage ging, ob eine Behörde ihre Vergabeentscheidung rechtmäßig auf den Anwendungsbereich einer öffentlichen Einrichtung stützen durfte, ohne einen formellen Vergabewettbewerb durchzuführen.
Im konkreten Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber die Unterhaltung und den Betrieb von Lotsenanlagen einem Unternehmen übertragen, das eine öffentlich-rechtlich organisierte Einheit war. Ein unterlegener Bieter rügte, dass die Vergabe kein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchlaufen habe.
Die Kammer prüfte insbesondere, ob § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV (Ausnahme für vergabefremde Leistungserbringung) anzuwenden war oder ein offenes Verfahren hätte stattfnden müssen. Dabei ermittelte sie, dass die übertragene Aufgabe zwar mit der Kernkompetenz der öffentlichen Stelle in Verbindung stand – nicht jedoch die erforderliche unmittelbare Kontrolle und ausschließliche Aufgabenwahrnehmung durch die juristische Person vorlagen. Eine juristische Person, der eine originäre öffentliche Aufgabe übertragen wird, muss nach der Rechtsprechung so ausgestaltet sein, dass ihre Organe ausschließlich Vertreter der beteiligten öffentlichen Auftraggeber umfassen, und dass mehr als 80 % der Tätigkeit auf die Erbringung der übertragenen Aufgaben entfällt (§ 108 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB analog). Im vorliegenden Fall wurden diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
Da die Vergabekammer zu dem Ergebnis gelangte, dass keine vergabefremde Leistungserbringung im Sinne der VgV vorlag, wurde die Vergabe als vergaberechtlich relevant eingestuft. Der Auftrag musste somit neu ausgeschrieben werden.
Für die Praxis bedeutet dies: Öffentliche Auftraggeber dürfen die Ausnahme der vergabefremden Leistungserbringung nur in streng kontrollierten Fällen anwenden. Die Organisations-, Aufgaben- und Kontrollstruktur der auftragsvergebenden Einheit muss eindeutig öffentlich geprägt sein und den Anforderungen des § 108 GWB entsprechen. Fehlt eine eindeutige Ausgestaltung, droht die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens. Bieter sollten in solchen Konstellationen frühzeitig kritisch prüfen, ob die Organisation des Empfängers dem Vergaberecht standhält und gegebenenfalls eine Rüge erheben.
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