Urteil vom 16. Oktober 2025 – C-282/24

22. November 2025 - Vergaberecht

Mit Urteil vom 16. Oktober 2025 – C-282/24 – hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren Polismyndigheten/Konkurrensverket grundlegende Leitlinien dazu formuliert, wann Änderungen an einer bestehenden Rahmenvereinbarung vergaberechtlich noch zulässig sind und wann ein neues Vergabeverfahren einzuleiten ist. Gegenstand war eine durch die schwedische Polizeibehörde geschlossene Rahmenvereinbarung, bei der nachträglich das Vergütungsmodell für bestimmte Leistungen angepasst wurde. Die Wettbewerbsbehörde sah hierin eine unzulässige wesentliche Vertragsänderung und verlangte ein neues Verfahren. Der EuGH hatte mithin zu klären, ob eine solche Änderung die „Gesamtnatur“ der Rahmenvereinbarung im Sinne von Art. 72 RL 2014/24/EU verändert.

Der Gerichtshof hebt zunächst auf der Grundlage ständiger Rechtsprechung hervor, dass jede Änderung der vertraglichen Vergütung grundsätzlich als Vertragsänderung zu qualifizieren ist. Gleichwohl führt nicht jede Modifikation automatisch zu einer wesentlichen Änderung, die ein neues Vergabeverfahren auslöst. Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung im Lichte von Art. 72 RL 2014/24/EU: Zum einen sind die „Safe Harbour“-Tatbestände des Art. 72 Abs. 2 zu prüfen, vor allem der finanzielle Schwellenwert (50 %-Grenze) für nachträgliche Anpassungen ohne erneute Ausschreibung. Zum anderen ist qualitativ zu untersuchen, ob der veränderte Vertrag andere oder zusätzliche Leistungen einführt oder das wirtschaftliche Gleichgewicht in einer Weise verschiebt, die potenzielle Bieter ex ante davon hätte abhalten können, sich zu beteiligen.

Im konkreten Fall betonte der EuGH, dass die Umstellung des Vergütungsmechanismus zwar zu anderen Zahlungsströmen führt, gleichwohl aber innerhalb des ursprünglichen Leistungsgegenstands blieb. Weder wurden neue Leistungsarten eingeführt noch der Kreis der potenziell interessierten Unternehmen verändert. Das Gericht knüpft damit an seine bisherige Rechtsprechung an, wonach maßgeblich ist, ob die Änderung dazu führt, dass der Auftrag im Vergleich zur ursprünglichen Ausschreibung „ein anderer“ wird – sei es aufgrund eines deutlich erweiterten Umfangs, einer Verschiebung des wirtschaftlichen Gleichgewichts zugunsten des Auftragnehmers oder der Einführung neuer, ursprünglich nicht vorhersehbarer Bedingungen.

Für die Praxis in Deutschland ist die Entscheidung von hoher Relevanz: Öffentliche Auftraggeber erhalten zusätzliche Klarheit, dass eine Anpassung von Vergütungsmodellen innerhalb bestehender Rahmenvereinbarungen vergaberechtlich zulässig sein kann, wenn sie unterhalb der unionsrechtlichen Schwellen bleibt, den Vertragsgegenstand nicht erweitert und das wirtschaftliche Gleichgewicht nicht einseitig verschiebt. Gleichzeitig wird der Dokumentationsaufwand betont: Auftraggeber müssen nachvollziehbar begründen können, dass die Voraussetzungen des Art. 72 RL 2014/24/EU eingehalten sind und kein „neuer“ Auftrag entsteht.

Die Grundsätze dieser Entscheidung gelten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und damit verbindlich auch für deutsche Vergabeverfahren nach GWB/VgV.