Der Beschluss betrifft ein europaweites Vergabeverfahren über die Lieferung von Kontroll- und Streifenbooten auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung.
Die Vergabestelle hatte eine verbindliche Mindestabnahmemenge vorgesehen; weitere Abrufe sollten nur erfolgen, wenn die dafür erforderlichen Haushaltsmittel zu einem späteren Zeitpunkt bereitgestellt würden. Ein Bieter beanstandete, dass diese Konstruktion vergaberechtlich unzulässig sei und rügte zugleich weitere Aspekte des Verfahrens.
Der Vergabesenat befasst sich zunächst mit der Frage, ob nach Abschluss der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer noch neue Rügeinhalte in das Verfahren eingeführt werden können. Maßgeblich ist, ob der betreffende Vergaberechtsverstoß bereits vor Antragstellung hätte erkannt und gerügt werden müssen oder ob er erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens erkennbar wurde. In der hier zu beurteilenden Konstellation war letzteres der Fall; die neuen Beanstandungen wurden daher berücksichtigt.
Im Mittelpunkt steht sodann die vergaberechtliche Bewertung der Rahmenvereinbarung. Die Mindestabnahmemenge war vertraglich abgesichert; für die darüber hinausgehenden optionalen Mengen fehlte jedoch eine gesicherte Finanzierung. Die Abrufmöglichkeit hing von späteren haushaltsrechtlichen Entscheidungen ab, auf die weder Bieter noch Vergabestelle im Zeitpunkt der Ausschreibung Einfluss hatten. Der Senat gelangt zu der Auffassung, dass eine Rahmenvereinbarung, deren Erweiterungsmengen wirtschaftlich im Ungewissen stehen, nicht mehr dem Zweck einer verbindlichen bedarfsabhängigen Beschaffung dient. Entscheidend ist, dass der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Ausschreibung festgelegt haben muss, welche Leistung in welchem Umfang erfolgen soll und ob dieser Umfang finanziell tatsächlich gesichert ist.
Da die spätere Erweiterung von Zufälligkeiten des Haushaltsvollzugs abhing und keine belastbare Abnahmeverpflichtung bestand, wertete das Gericht die Rahmenvereinbarung als vergaberechtlich fehlerhaft. Die Vergabestelle wurde verpflichtet, das Verfahren vollständig in den Stand vor der Veröffentlichung zurückzuversetzen und die Struktur der Beschaffung neu zu ordnen.
Für die Praxis folgt hieraus, dass Rahmenvereinbarungen nicht als Instrument zur unverbindlichen Vorhaltung von Leistungsoptionen dienen dürfen. Abnahmemengen – Mindestmenge wie erweiterte Mengen – müssen im Zeitpunkt der Ausschreibung abgesichert sein; unklare Finanzierungsgrundlagen oder haushaltsrechtlich bedingte Unwägbarkeiten führen regelmäßig zu vergaberechtlichen Fehlern. Bieter sollten entsprechende Unschärfen frühzeitig rügen, Vergabestellen diese Fragen vor Veröffentlichung der Unterlagen abschließend klären.
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