Der Entscheidung lag ein Streit um eine Direktvergabe im Bereich der technischen Systemwartung zugrunde. Eine öffentliche Stelle hatte einem Unternehmen ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens einen Anschlussauftrag erteilt und sich dabei auf ein bestehendes Ausschließlichkeitsrecht berufen. Dieses Recht beruhte jedoch im Wesentlichen auf einer früheren Vertragsgestaltung, durch die der Auftraggeber selbst dem Unternehmen die ausschließliche Stellung verschafft hatte. Ein Mitbewerber beanstandete dies als unzulässige Umgehung der Vergabevorschriften.
Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass Ausnahmen vom Vergabeverfahren, insbesondere nach Art. 32 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2014/24/EU, eng auszulegen sind. Eine Direktvergabe wegen Ausschließlichkeitsrechten ist nur dann zulässig, wenn diese Rechte objektiv bestehen, rechtlich gesichert und nicht vom öffentlichen Auftraggeber selbst herbeigeführt wurden. Der Gerichtshof betonte, dass Auftraggeber aktiv verhindern müssen, dass durch Vertragsgestaltung oder mangelnde Rechteübertragung eine künstliche Abhängigkeit („vendor lock-in“) entsteht. Eine solche, vom Auftraggeber mitverursachte Exklusivität kann nicht als Rechtfertigung für eine nachfolgende Direktvergabe dienen.
Im konkreten Fall hob der EuGH hervor, dass der Auftraggeber die Vergabe hätte ausschreiben müssen, weil er die Umstände, die zur behaupteten Alleinstellung führten, selbst geschaffen hatte. Er habe daher die Wettbewerbsverengung zu vertreten. Nur wenn der Auftraggeber die Entstehung der Exklusivität weder rechtlich noch faktisch beeinflussen konnte und sie objektiv fortbesteht, kann eine Direktvergabe ausnahmsweise gerechtfertigt sein.
Die Entscheidung verpflichtet öffentliche Auftraggeber europaweit, bei Folgeaufträgen – insbesondere im IT-, Energie- oder Wartungsbereich – frühzeitig zu prüfen, ob technische oder rechtliche Alleinstellungsrechte tatsächlich unvermeidbar sind. Vertragsgestaltungen, die Exklusivität begründen, müssen so ausgestaltet werden, dass ein künftiger Wettbewerb erhalten bleibt.
Da das Verfahren auf der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU beruht, sind die Grundsätze des Urteils unmittelbar auf alle Mitgliedstaaten übertragbar, einschließlich Deutschlands. Auftraggeber in der gesamten Europäischen Union müssen daher sicherstellen, dass Ausschließlichkeitsrechte nicht durch eigene Vertragsgestaltung erzeugt oder verfestigt werden, um Direktvergaben zu vermeiden.
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