Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 5. Juni 2025 – C-82/24 (MPWiK Wrocław ./. Veolia Water Technologies Polska sp. z o.o. u. a.)

10. Oktober 2025 - Vergaberecht

Der Entscheidung lag ein polnisches Vergabeverfahren zur Modernisierung einer städtischen Wasseraufbereitungsanlage zugrunde. Der öffentliche Auftraggeber hatte in den Ausschreibungsunterlagen auf bestimmte technische und rechtliche Anforderungen verwiesen, zugleich aber zentrale Bestimmungen des polnischen Zivilrechts – insbesondere zu Vertragsstrafen, Gewährleistung und Haftung – nicht ausdrücklich in die Unterlagen aufgenommen, sondern lediglich pauschal auf deren Geltung verwiesen. Ein Bieter rügte dies mit dem Hinweis, dass ausländische Unternehmen dadurch benachteiligt würden, da sie ohne vertiefte Kenntnis des polnischen Rechts wesentliche Vertragsbedingungen nicht beurteilen könnten.

Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass öffentliche Auftraggeber sämtliche für die Angebotsabgabe und die spätere Vertragserfüllung maßgeblichen Bedingungen ausdrücklich, eindeutig und für alle Bieter nachvollziehbar in den Vergabeunterlagen anzugeben haben. Ein bloßer Verweis auf nationale Rechtsnormen genügt nicht, wenn deren Inhalt den Bietern nicht unmittelbar zugänglich ist. Der Transparenzgrundsatz verpflichtet Auftraggeber, die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so klar zu dokumentieren, dass sämtliche Unternehmen – auch aus anderen Mitgliedstaaten – ihre Angebote auf gesicherter Informationsgrundlage kalkulieren können.

Der EuGH begründete seine Entscheidung mit den unionsrechtlichen Prinzipien der Gleichbehandlung, Transparenz und Vorhersehbarkeit. Bieter müssen vor Angebotsabgabe sämtliche Vertragsbedingungen kennen. Fehlen solche Angaben oder bleiben sie unklar, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, der zur Unwirksamkeit des Vergabeverfahrens führen kann.

Da das polnische Vergaberecht – ebenso wie das deutsche – auf den EU-Vergaberichtlinien beruht, sind die tragenden Grundsätze dieser Entscheidung unmittelbar auf alle Mitgliedstaaten übertragbar. Die Feststellungen des Gerichtshofs sind daher auch für das deutsche Vergaberecht nach GWB und VgV verbindlich und bestätigen, dass Vertragsbedingungen, Ausführungsanforderungen und rechtliche Rahmenbedingungen in allen EU-Staaten ausdrücklich und vollständig in den Vergabeunterlagen enthalten sein müssen.