EuGH, Urteil vom 13. März 2025 – C-266/22 – CRRC Qingdao Sifang & Astra Vagoane Călători / Autoritatea pentru Reformă Feroviară & Alstom Ferroviaria
Der Europäische Gerichtshof hatte in der Rechtssache C-266/22 über ein rumänisches Vergabeverfahren zur Lieferung von Schienenfahrzeugen zu befinden, in dem ein chinesisch-rumänisches Konsortium (CRRC Qingdao Sifang & Astra Vagoane Călători) bereits im Stadium der Teilnahme ausgeschlossen worden war. Grundlage des Ausschlusses war ein nationales Gesetz, das Unternehmen aus Drittstaaten ohne einschlägiges internationales Beschaffungsabkommen mit der Europäischen Union grundsätzlich den Zugang zu öffentlichen Aufträgen versagt. Der öffentliche Auftraggeber stützte sich damit auf eine gesetzlich angeordnete Marktabschottung gegenüber solchen Drittstaatsunternehmen, die nicht in den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 25 RL 2014/24/EU bzw. der korrespondierenden Regelungen der RL 2014/25/EU fallen.
Der Gerichtshof hob zunächst auf der Grundlage ständiger Rechtsprechung hervor, dass Art. 25 RL 2014/24/EU und die flankierenden Bestimmungen der Vergaberichtlinien den Marktzugang von Drittstaatsunternehmen bewusst an das Bestehen völkerrechtlicher Übereinkünfte knüpfen. Nur Unternehmen aus Staaten, die entweder der WTO-Vergabeordnung (GPA) beigetreten sind oder durch bilaterale Marktzugangsabkommen mit der Union verbunden sind, können sich auf einen unionsrechtlich abgesicherten Anspruch auf Gleichbehandlung im Vergabeverfahren berufen. Wirtschaftsteilnehmer aus Staaten ohne ein derartiges Abkommen sind demgegenüber nicht Adressaten des unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots im Hinblick auf den Zugang zu öffentlichen Aufträgen.
Vor diesem Hintergrund gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass nationale Vorschriften, die den Marktzugang für bestimmte Drittstaaten generell beschränken oder ausschließen, sich im Grundsatz innerhalb des unionsrechtlich vorgezeichneten Rahmens bewegen, sofern sie die allgemeinen Prinzipien der Verhältnismäßigkeit, der Nichtdiskriminierung zwischen Unternehmen aus den Mitgliedstaaten sowie der Rechtssicherheit wahren. Er betont, dass derartige Regelungen weder willkürlich anknüpfen noch zu einer Ungleichbehandlung innerhalb des Kreises der Unionsunternehmen führen dürfen. Die unionsrechtlichen Vergaberichtlinien gelten für Angebote aus den Mitgliedstaaten uneingeschränkt weiter; sie vermitteln jedoch Drittstaatsunternehmen ohne völkerrechtliche Öffnung des EU-Vergabemarktes keinen Anspruch auf gleichberechtigte Teilnahme.
Für die Praxis – insbesondere bei großvolumigen Infrastrukturvorhaben mit typischer Beteiligung globaler Anbieter – bestätigt das Urteil, dass Beschaffungs-„Screening“-Instrumente gegenüber Drittstaatenunternehmen unionsrechtlich möglich sind, wenn sie transparent normiert, konsistent angewendet und sorgfältig begründet werden. Die Entscheidung macht zugleich deutlich, dass die Frage des Marktzugangs von Drittstaatsunternehmen primär eine politische und gesetzgeberische Grundentscheidung ist, nicht eine über das Vergaberecht „nach innen“ zu lösende Detailfrage des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die vom EuGH herausgearbeiteten Grundsätze gelten unionsweit und sind damit auch für deutsche Vergabeverfahren nach GWB/VgV verbindlich zu beachten.
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