Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. September 2025 – Verg 6/25

11. Oktober 2025 - Vergaberecht

Die Entscheidung betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Gesamtvergabe zulässig ist, obwohl § 97 Abs. 4 GWB den Grundsatz der Losvergabe als Regelfall festschreibt. Ein öffentlicher Auftraggeber hatte Bauleistungen für mehrere Gebäudeteile in einem einheitlichen Auftrag ausgeschrieben, weil er den Koordinationsaufwand bei getrennter Vergabe für wirtschaftlich und technisch unzumutbar hielt. Ein unterlegener Bieter beanstandete, dass die Entscheidung gegen das Gebot der Losbildung verstoße.

Das BayObLG stellte klar, dass die Losvergabe der gesetzliche Regelfall bleibt. Eine Gesamtvergabe ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftraggeber nachvollziehbar darlegt, dass wirtschaftliche oder technische Gründe eine Aufteilung ausschließen oder unzumutbar machen. Der bloße Wunsch nach Verwaltungsvereinfachung genügt nicht. Der Auftraggeber muss die Entscheidung durch konkrete Tatsachen belegen – etwa durch die Gefahr unvertretbarer Schnittstellenrisiken, erheblicher technischer Abhängigkeiten oder gravierender Koordinationsprobleme, die den Projekterfolg gefährden könnten.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Grundsatz der Losvergabe der mittelstandsfreundlichen Marktöffnung dient und sicherstellen soll, dass auch kleinere und spezialisierte Unternehmen eine Chance zur Beteiligung erhalten. Die Gesamtvergabe ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn die vom Auftraggeber angeführten Gründe im Vergabevermerk detailliert dokumentiert und plausibel begründet werden. Pauschale Hinweise auf Effizienz oder vermeintliche Synergieeffekte reichen nicht aus.

Das Gericht hob hervor, dass die Entscheidung über die Losbildung zu den zentralen Strukturentscheidungen eines Vergabeverfahrens gehört und zu Beginn des Verfahrens getroffen werden muss. Eine nachträgliche Korrektur oder Begründung im Nachprüfungsverfahren ist unzulässig. Der Auftraggeber trägt die volle Darlegungslast für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen.

Die Entscheidung bestätigt den Vorrang der Losvergabe als gesetzlichen Leitgrundsatz und mahnt eine sorgfältige Abwägung und Begründung an, wenn eine Gesamtvergabe ausnahmsweise erfolgen soll. Nur eine transparente, nachvollziehbare Dokumentation schützt den Auftraggeber vor Nachprüfungsrisiken.