In der vergangenen Zeit sind zwei Entscheidungen von erheblicher Relevanz für die Praxis des Vergaberechts veröffentlicht worden: ein Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) vom 10. September 2025 (Az. Verg 6/25 e) sowie ein Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. April 2025 (Az. Verg 35/24). Beide Urteile zeigen, wie sorgfältig öffentliche Auftraggeber bei der Einordnung von Aufträgen und der Gestaltung ihrer Zuschlagswertung vorgehen müssen.
BayObLG, Beschluss vom 10.09.2025 – Verg 6/25 e
Gegenstand war ein Nachprüfungsverfahren zu einem Parkleitsystem, das sowohl elektronische Anzeigetafeln als auch umfangreiche Tiefbauarbeiten umfasste. Die Vergabekammer Nordbayern hatte den Nachprüfungsantrag einer Bieterin als unzulässig verworfen, da sie den Auftrag insgesamt als Bauauftrag unterhalb des EU-Schwellenwerts einstufte. Die Bieterin argumentierte dagegen, dass die wesentlichen Leistungen in der Lieferung und Steuerung der Anzeigen lägen, womit eine europaweite Ausschreibung zwingend wäre.
Das BayObLG stellte klar, dass bei der Abgrenzung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsauftrag nicht nur auf den Wert der Bauleistungen abzustellen ist. Maßgeblich sei eine qualitative Gesamtbetrachtung, bei der der Hauptgegenstand entscheidet. Im konkreten Fall lag dieser bei den Steuerungs- und Anzeigeelementen. Der Nachprüfungsantrag war zulässig und begründet; die Entscheidung der Vergabekammer wurde aufgehoben.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.04.2025 – Verg 35/24
In einem anderen Verfahren rügte eine Bieterin die Zuschlagswertung eines Auftraggebers, bei der neben den veröffentlichten Kriterien und Gewichtungen ein zusätzlicher „Bietungsfaktor“ in die Endbewertung eingeflossen war. Dieser Faktor war in den Vergabeunterlagen nicht als eigenständiges Kriterium ausgewiesen.
Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf erklärte das Vorgehen für rechtswidrig. Zuschlagskriterien und Bewertungsmethoden müssen für alle Bieter transparent und vorhersehbar sein. Ein außerhalb der bekannten Gewichtung eingeführter Faktor verstößt gegen die Grundsätze des § 97 Abs. 2 und § 127 Abs. 1 GWB. Das Gericht stellte damit klar, dass intransparent eingeführte Berechnungsgrößen nicht zulässig sind.
Fazit
Beide Entscheidungen verdeutlichen die rechtlichen Risiken für Auftraggeber, wenn sie einerseits Aufträge fehlerhaft klassifizieren und andererseits Bewertungsmethoden anwenden, die nicht den Transparenzanforderungen entsprechen. Für die Praxis empfiehlt sich eine besonders sorgfältige Prüfung der Einordnung von Aufträgen und eine klare, nachvollziehbare Gestaltung der Zuschlagswertung.
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