Einschaltung qualifizierter Juristen insbesondere in der Unternehmenskrise ratsam
Gerade im Kreise der Geschäftsführer bzw. Vorstände kleiner und mittlerer Kapitalgesellschaften ist die die Auffassung weit verbreitet, dass der mit Bilanz und Steuererklärungen beauftragte Steuerberater, insbesondere dann, wenn er auch bucht, die Verantwortlichen der Gesellschaft von sich aus über die rechtlichen Erfordernisse im Falle einer Unternehmenskrise berät. Dies umso mehr, als Steuerberater nicht selten die Mandantenbindung dazu nutzen – zumeist ohne akademische juristische Ausbildung – sich für umfassende Rechtsberatung etwa auf dem Felde des Gesellschaftsrechts oder auch des Familien- und Erbrechts zur Verfügung zu stellen. Meine anwaltliche Praxis zeigt, dass insbesondere derartige gesellschaftsrechtliche, aber auch familien- und erbrechtliche Beratungen steuerlastig ausgelegt sind, also zwar steueroptimiert, gelegentlich anderweitige bedeutsame Aspekte nicht oder nur am Rande beleuchtet werden, solange nicht einschlägig versierte Juristen involviert sind. Nicht selten bemerken wir im Rahmen von Strafverfahren gegen Geschäftsführer insolventer Kapitalgesellschaften, denen verspätete Bilanzerstellung in der Krise oder Insolvenzverschleppung zur Last gelegt wird, dass Bilanzen ohne jeden Risikohinweis von Steuerberatern verspätet vorbereitet werden, obschon sich die Krise signifikant aus vorliegender Buchhaltung und den bekannten BWAs ableiten und insbesondere jeder Hinweis auf zwingende rechtliche Erfordernisse nicht zuletzt zur Abwehr auch persönlicher Risiken der Geschäftsführer unterlassen wird. Jüngst kam mir gar ein Fall unter, dass ein juristisch nicht ausgebildeter Steuerberater ein Unternehmen sogar im Zusammenhang mit einem gescheiterten Engineeringvertrag umfassend (falsch) beriet und bei seinem Mandanten erfolgreich darum warb, keinen kundigen Anwalt einzuschalten, als dessen Beratungsfehler aufzufallen drohten.
Nicht selten begleiten Steuerberater ihre Mandanten gerade auch in der Krise dann, wenn es gilt, Verhandlungen mit Banken und anderen Gläubigern zu führen allein und ohne Einschaltung eines insolvenzrechtlich versierten Juristen. In einer solchen Situation dann davon auszugehen, der Steuerberater sei stets verpflichtet, den Geschäftsführer/Vorstand der betroffenen Kapitalgesellschaft auf insolvenzrechtliche Erfordernisse aufmerksam zu machen und für juristische Risikominimierung zu sorgen, ist ein ggf. für den betroffenen Geschäftsleiter gelegentlich straf- und haftungsrechtlich schmerzhafter Fehler. Dies zeigt jüngst wieder das rechtskräftige Urteil des OLG Celle vom 06.04.2011 – 3 U 190/10, welches zeigt, dass Pflichten und Haftung des Steuerberaters im Sinne auch seiner limitierten Fachkompetenz zumeist auf steuerrechtliche Sachverhalte beschränkt sind. Das OLG wies die Schadensersatzklage eines Insolvenzverwalters gegen einen Steuerberater als unbegründet ab, der den Geschäftsführer der bereits insolventen Kapitalgesellschaft aktiv bei Vergleichsverhandlungen mit Gläubigern beriet, Hinweise auf insolvenzrechtliche Pflichten und Risiken gerade auch für den Geschäftsführer persönlich unterließ. Ein beratender Anwalt wäre zu umfassenden Hinweisen in der Lage und verpflichtet gewesen, hätte auch im Falle eines Pflichtenverstoßes gehaftet.
Das OLG Celle meinte, es sei Aufgabe der Geschäftsführer einer GmbH selbst, eine etwaige Überschuldung des Unternehmens nach insolvenzrechtlichen Kriterien (Stichwort: Überschuldungsstatus) zu überprüfen und rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen oder rechtlich geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Der Steuerberater müsse zwar ungefragt auf eine bilanzielle Überschuldung hinweisen und die Prüfung der Überschuldung anregen, nicht aber auf rechtliche Erfordernisse und Risiken. Selbst die Pflicht zum Hinweis auf die bilanzielle Überschuldung bestünde nicht, wenn die bilanzielle Überschuldung sich für den Mandanten aus ihm vorliegenden Bilanzen bzw. betriebswirtschaftlichen Auswirkungen ablesen lasse. Werde ein Steuerberater im Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz um rechtlichen Rat gebeten und erteilt er einen solchen Rat außerhalb seiner Steuerberaterkompetenz, so müsse der Rat allerdings zutreffend sein. Damit folgte das Oberlandesgericht der bisherigen Rechtsprechung, kam aber aus Mandantensicht zu einem vielleicht verblüffenden Ergebnis.
Es lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Er verlangt vom beklagten Steuerberater Schadensersatz mit der Begründung, der Steuerberater habe es versäumt, den Geschäftsführer auf die Insolvent der Gesellschaft infolge Überschuldung und auf seine Pflichten zur Insolvenzanmeldung hinzuweisen, deren Verletzung zur Strafbarkeit des Geschäftsführers und zu Schadensersatzansprüchen gegen ihn persönlich führen kann. Die GmbH betrieb einen Großhandel in gemieteten Räumen. Der Geschäftsführer waren zugleich Gesellschafter einer GbR, die Eigentümerin des von der GmbH angemieteten Betriebsgrundstücks war. Dort hatte die GbR einen Neubau errichten lassen. Die zu diesem Zweck in Anspruch genommenen Darlehn wurden von der GbR mit den aus der Miete fließenden Mitteln bedient.
Der Steuerberater der GmbH betreute auch die GbR. Neben der laufenden steuerlichen Beratung erstellte er für die GmbH die Bilanzen, regelmäßig die betriebswirtschaftlichen Auswertungen und die Summen- und Saldenlisten.
Aus der vom Steuerberater (gängiger Praxis entsprechend verspätet) Mitte 2005 erstellten Bilanz für das Jahr 2004 ergab sich ein Fehlbetrag. Die konsolidierte betriebswirtschaftliche Auswertung 12/2005 für das Jahr 2005, die im Januar 2006 erstellt wurde, ergab eine bilanzielle Überschuldung. Der Geschäftsbetrieb der GmbH wurde dort, wo er Defizite einbrachte, Ende 2005 eingestellt und das Gewerbe abgemeldet. Im Januar 2006 kam es zu einem Gespräch u.a. mit Vertretern der Hausbank über Fortsetzungsmöglichkeiten, an welchem der Steuerberater teilnahm. Die GmbH zahlte den für die geschlossene Betriebsstelle anfallenden Mietzins bis einschließlich 6/2006 weiter (EUR 39 900,—).
Am 26. 7. 2006 wurde für die GmbH Insolvenzantrag gestellt. Der Insolvenzverwalter nahm eingangs den Geschäftsführer der GmbH persönlich auf Rückzahlung der bis einschließlich Juni 2006 an die GbR gezahlten Mieten in Anspruch. Der vom Steuerberater in beschriebener Weise begleitete Geschäftsführer wurde wegen von ihm verschuldeter (strafbarer!) Insolvenzverschleppung auf Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Pfändungen gegen ihn blieben erfolglos. Daraufhin nahm der Insolvenzverwalter den Steuerberater in Anspruch, weil dieser sogar nach Vorliegen der BWA für 2005 nach Teilnahme an Krisengesprächen mit der Bank auf die erkennbare Pflicht zur Insolvenzanmeldung, rechtliche Erfordernisse, Möglichkeiten und Risiken nicht hingewiesen hatte.
Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt. Dem Insolvenzverwalter stünde stehe gegen den Steuerberater ein Schadensersatzanspruch aus vertraglicher Haftung wegen Verletzung einer Nebenpflicht zu. Zwar habe ein Steuerberater nicht die Pflicht, die Geschäftsführer einer GmbH auf die Verpflichtung zur Insolvenzanmeldung hinzuweisen, wenn diesen die bilanzielle Überschuldung der Gesellschaft positiv bekannt sei. Der Steuerberater habe jedoch, indem er vermeintliche Wege aus der Krise im Bankgespräch aufgezeigt habe, aktiv dazu beigetragen, dass der Insolvenzantrag nicht schon im Januar, sondern erst im Juli gestellt wurde. Ohne sein Zutun wäre der Insolvenzantrag früher gestellt worden. Hierdurch sei der GmbH ein Schaden entstanden, denn bei zutreffender Beratung hätte sie die Miete nicht weitergezahlt.
Dieses Urteil wurde vom OLG Celle aufgehoben und es wurde die Klage gegen den Steuerberater abgewiesen. Es ging darum, ob der Steuerberater im Januar 2006 zu juristisch gebotenen (risikomindernden) Handlungen hätte raten müssen, also auf die Insolvenzanmeldungspflicht. Einen solchen Hinweis habe der Steuerberater mit Blick auf das bestehende Beratungsverhältnis nicht originär erteilen müssen, meinte das OLG. Der Hinweis auf eine Insolvenzanmeldungspflicht habe mit der Steuerberatung als solcher nicht unmittelbar etwas zu tun. Der Geschäftsführer selbst müsse stets prüfen, ob nach den Grundsätzen eines insolvenzrechtlichen Vermögensstatus, also abweichend von den Grundsätzen der Handels- und Steuerbilanz und deren Feststellungen, eine etwaige Überschuldung vorliegt. An ihm sei es also auch, rechtzeitig Insolvenz anzumelden. Angesichts der lediglich steuerberatenden Funktion eben des Steuerberaters sei dies nicht seine Sache.
Es liege nahe, dass der mit der Erstellung der Bilanz bzw. der betriebswirtschaftlichen Auswertungen beauftragte Steuerberater – jedenfalls bei einem umfassenden Beratungsvertrag – auch ungefragt auf eine bilanzielle Überschuldung hinweisen und die Prüfung der etwaigen Überschuldung im Sinne eines insolvenzrechtlichen Vermögensstatus anregen müsse. Dass die GmbH bilanziell überschuldet war, sei dem Geschäftsführer im vorliegenden Fall jedoch bereits selbst aufgrund der vom Steuerberater erstellten Bilanz und BWA bekannt gewesen. Deshalb habe es einen Hinweis darauf seitens des Steuerberaters nicht gebraucht.
Ob der Steuerberater darüber hinaus auf die Insolvenzantragspflicht selbst hinweisen muss, werde in der Rechtsprechung jedenfalls dann verneint, wenn der Steuerberater lediglich mit der Erstellung der Bilanzen, der Gewinn- und Verlustrechnungen sowie der Steuererklärungen betraut sei. Vorliegend habe der Steuerberater ohne gesondertes Mandat zur Erstellung eines Überschuldungsstatus nicht hinreichend sicher feststellen können, ob die Schuldnerin tatsächlich insolvenzreif gewesen sei und auch auf das Erfordernis einer solchen Prüfung müsse er ungefragt nicht verweisen.
Allerdings habe der Steuerberater an Gesprächen mit der Bank teilgenommen. Soweit er in diesem Zusammenhang beraten habe, müsse er für die Richtigkeit einstehen. Denn werde ein Steuerberater im Zusammenhang mit der Unternehmenskrise um Rat gefragt wird und (gleich ob er angesichts von Berufsbild und Ausbildung ausreichend qualifiziert ist)den erbetenen Rat erteile, müsse er auch dafür einstehen. Dies müsse auch gelten, wenn der Steuerberater in wirtschaftliche Sachverhalte mit einbezogen und er insoweit aktiv tätig werde, ohne dass es einen ausdrücklichen Auftrag gibt. Wenn der Steuerberater also an Gesprächen teilnimmt und Vorschläge zur Lösung der Situation unterbreitet, wenn er also konkret Stellung bezieht, insbesondere Wege aus der Krise aufgezeigt habe, dann sei er gehalten, insoweit einen zutreffenden Rat zu erteilen. Dies aber habe er im vorliegenden Fall getan. Er habe die wirtschaftliche Situation des Betriebs nicht verharmlost, als er (illegale!) Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt hatte, lediglich auf Hinweise wegen legaler Erfordernisse verzichtet. Dass der Steuerberater neben vorgeschlagener Rettungsversuche zwingend auch zur Meidung von Haftung und Strafbarkeit des Geschäftsführers auf das Erfordernis rechtmäßigen Verhaltens habe hinweisen müssen, nahm das Gericht nicht an und wies daher die Klage ab.
Daraus folgt für die Praxis: Das Bemühen des Steuerberaters, den Mandanten umfassend zu betreuen ist nicht gleich bedeutend damit, dass der Steuerberater juristisch umfassend und ausreichend beraten kann oder muss. Wer meint, die Gestaltungs- und Handlungsvorschläge des Steuerberaters müssten – über steuerliche Fragen hinaus – auch auf umfassender rechtlicher Prüfung und Eignung des Rats des Steuerberaters beruhen, irrt selbst im vorliegenden Fall möglicher straf- und haftungsrechtlicher Risiken des Geschäftsführers. Entsprechend seiner (üblichen) Qualifikation ist dessen originäre Aufgabe die Steuerberatung, auch die wirtschaftliche, nicht aber die umfassend rechtliche. Die übergroße Mehrheit unserer seriösen Steuerberater rät daher zur Hinzuziehung von juristischen Beratern mit entsprechender Ausbildung, wenn es um das Erfordernis umfassend richtiger Rechtsberatung geht. Sie halten es wie der Schuster. Der bleibt auch bei seinem Leisten. Sollte es einmal anders kommen, können die Folgen für den Mandanten schmerzhaft sein und ginge es nur darum, dass ihm ein umfassend haftender Berater nicht zur Seite steht.
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