Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) soll umsetzen helfen, was erklärtes Ziel der Bundesregierung ist: mehr bezahlbare Wohnungen auf Flächen des Bundes. Bislang stritten sich Bima und Kommunen oft um Grundstückspreise, es entstand wenig mehr Bezahlbares. Das könnte sich ändern. Weil laut einer neuen Richtlinie Flächen umso billiger werden, je mehr Sozialwohnungen entstehen. Und weil die neuen Chefs von Bima und Bundesfinanzministerium gegenüber den Kommunen einen versöhnlichen Kurs eingeschlagen haben.
Ich hatte Projekte, bei denen ich mit der Bima sehr gut zurechtgekommen bin. Und ich hatte welche, da war ich Staatsfeind Nummer eins. Zum Beispiel, wenn die Bima selbstdefinierte Regeln der Erstzugriffsoption brach.“
Rechtsanwalt Harald Nickel berät Städte, die Bima-Liegenschaften kaufen wollen. Heidelberg ist darunter, Hanau, Babenhausen, Griesheim bei Frankfurt. Nickel weiß viel über das Ringen von Bundesanstalt und Kommunen um Grundstücke und deren Preise zu berichten, hat erfolgreich gegen die Bima geklagt. Er kann als unverdächtig gelten, Bima und Regelungen, nach denen sie arbeitet, allzu optimistisch zu bewerten. Und doch sagt er mit Blick auf die Ende 2018 vom Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossene Neufassung der Verbilligungsrichtlinie: „Sie ist Gold wert! Weil sie auf den Bedarf zugeschnitten ist: Kommunen brauchen bezahlbaren Wohnraum. Und das schnell. Das eine wird gefördert, das andere eingefordert.“
Die Zusammenarbeit mit der Bima sei „jetzt sehr gut“, betonte jüngst auf einer Veranstaltung des Wohnverbands BFW Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag. Kurz zuvor hatten Vertreter von Bima und Kommunalverbänden ein gemeinsam verfasstes Infoschreiben zur Richtlinie unterzeichnet.
Selbst aus der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, die wie München und etliche andere Kommunen auf Knirsch mit der Bima ist, heißt es immerhin: „Wir freuen uns, dass der Bund die Interessen der Kommunen nun als vorrangig einstuft.“
Bisher war das so eine Sache mit den Interessen. Laut Bima-Gesetz muss die Bundesanstalt „nach kaufmännischen Grundsätzen“ handeln, in der Bundeshaushaltsordnung steht es noch deutlicher: Vermögensgegenstände dürfen nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Und Bieterverfahren waren für den ehemaligen Bima-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Gehb (CDU) „der sauberste Weg, den vollen Preis zu erzielen“, wie er der Immobilien Zeitung sagte (vgl. „Die doppelte Bima“, IZ 37/15). Hier das Maximum für die Staatskasse, für Wohnungspolitik sind andere zuständig – seinen Dienstherrn, den damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), wusste Gehb damit hinter sich. Städte dagegen erregten sich über die „Preistreiberei“, forderten Nachlässe, u.a. für geförderten Wohnraum. Doch die Erstzugriffsoption für Kommunen auf Bima-Flächen und die erste Verbilligungsrichtlinie von Ende 2015 brachten wenig (siehe „Die Bima“, Seite 6).
Im vergangenen Jahr hat sich dann einiges getan. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wurde Bundesfinanzminister, und auf Gehb folgte Christoph Krupp (SPD), bis dato Leiter der Hamburger Senatskanzlei. Beide setzen neue Prioritäten: Die Bima wolle Kommunen mit Flächen unterstützen, sagt Scholz. „Ihn treibt die Zukunft der großen Städte an“, erklärt Krupp (siehe Interview „Wir wollen in diesem Jahr 6.000 Wohnungen ermöglic hen“, Seite 7).
Die Möglichkeiten der Bima, den Kommunen Gutes zu tun, hat der Haushaltsausschuss mit der neuen Verbilligungsrichtlinie ausgeweitet. Die Bundesanstalt soll Städten und Gemeinden nun nicht mehr nur einst militärische Flächen „ohne Bieterverfahren unterhalb des ermittelten Verkehrswerts“ anbieten, sondern alle „entbehrlichen“. Ein Abschlag von 25.000 Euro pro geplanter Sozialwohnung auf den Grundstückspreis war schon vorher möglich, allerdings ist der nun nicht mehr begrenzt; im Einzelfall kann der Preis runter auf Null gehen. Solange der Erstzugriff jedoch eine Option und kein Recht sei, kritisiert Nickel, könne die Bima ihn nach wie vor zulassen – oder nicht. Zudem ginge das Ringen um den Verkehrswert mit ungleichen Mitteln weiter. Denn den Wert ermittelt die Bima, die Kommunen hätten ohne Erstzugriffsrecht keine Kontrollmöglichkeit per Gericht. „Sie sind weiterhin darauf angewiesen, richtige Gutachten zu bekommen“, sagt Nickel.
Kürzlich ist die Bundesanstalt ihren Bestand nochmals daraufhin durchgegangen, welche Flächen sich für Wohnungsbau eignen und entbehrlich sind und auf welchen sie selbst Wohnungen bauen will. Ob nun mehr Liegenschaften auf der Verkaufsliste stehen, mag Krupp nicht sagen. Viele, vor allem große Flächen in angespannten Märkten, habe die Bima bereits verkauft. Zudem sei einiges in Bewegung: Bundespolizei und Bundeswehr bauten Personal auf. „Und deren Flächenbedarf geht vor.“ Vergleichsweise viele Grundstücke hat die Bima noch in Berlin. Doch auch hier wird es wenig Überraschungen geben. „Wir haben dem Land schon vor längerem unsere Bestandsliste zur Verfügung gestellt und reden regelmäßig darüber“, erklärt Gabriela Ostermann, stellvertretende Verkaufsleiterin für Bima- Liegenschaften in Berlin und Brandenburg. Im Zuge der jüngsten Portfolioanalyse seien nur wenige Flächen hinzugekommen – etwa zehn, sagt sie. Verhandelt werde mit dem Land nun über knapp 100 Liegenschaften, davon halte die Bima 45 bis 50 für Wohnungsbau geeignet.
Eine Vielzahl zusätzlicher Flächen wird es also wohl nicht geben. Womöglich aber mehr bezahlbare Wohnungen. „Mit der neuen Verbilligungsrichtlinie wird mehr geförderter Wohnraum gebaut, und vor allem: Er wird schneller entstehen“, ist Anwalt Nickel überzeugt. Das Mehr begründet er mit „signifikanten“ Preisvorteilen. „Künftig geht es nicht mehr nur um den Bedarf, sondern es gibt zusätzlich für kommunale wie private Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Anreize, Gefördertes zu bauen.“ In mancher Stadt werde deshalb darüber nachgedacht, den Anteil geförderter Wohnungen nach oben zu schrauben, weiß Nickel.
Schwerer ins Gewicht als einige Flächen und Sozialwohnungen mehr könnte etwas anderes fallen: Tempo. Die Bima bietet allen Grund, der ihrer Ansicht nach für Wohnungsbau geeignet ist, nun auf einen Schlag an. „Früher gab es einen Zeitplan dafür, in welchem Jahr welche Liegenschaft verkauft werden soll. Jetzt haben die Flächen, die Kommunen brauchen könnten, Priorität“, sagt Ostermann. Will heißen: Manches kann früher als geplant verkauft werden. Als Beispiel nennt sie das Gelände an der Ratiborstraße in Berlin-Kreuzberg. „Das war erst in den Jahren 2021/2022 für den Verkauf vorgesehen, aber das Land wollte es früher. Jetzt werden wir die Fläche noch in diesem Jahr abgeben.“ Darauf entstehen soll Bezahlbares, das zunächst Flüchtlingen, später auch anderen Wohnungssuchenden zur Verfügung stehen soll.
Doch angebotene Fläche ist noch kein gebauter Wohnraum. Planungsrecht haben die Städte, und oft geht es da zäh zu, weil sich Politiker uneins sind, Bürgerinitiativen blockieren, Verwaltungspersonal fehlt. Anders als sein Vorgänger schlägt Krupp auch da einen versöhnlichen Ton an. „Ich will den Kommunen nicht den schwarzen Peter zuschieben. Baurecht zu schaffen ist nicht einfach.“
Manch einer hofft, dass Entscheidungsträger in den Kommunen wegen des mittlerweile hohen Drucks, für mehr Wohnraum zu sorgen, einen Zahn zulegen. Anwalt Nickel ist optimistisch. Als Grund dafür nennt er die Dreijahresfrist in der Verbilligungsrichtlinie. Sie besagt, dass die Sozialwohnungen innerhalb von drei Jahren nach Grundstückskauf fertiggestellt sein sollten – andernfalls seien die Nachlässe zurückzuzahlen. „Vorher wurden Eigentumswohnungen und Eigenheime vorgezogen, um Cash in die Kasse zu bringen. Sozialwohnungen folgten dann irgendwann, sofern man entschlossen war, sie überhaupt zu bauen“, weiß der Berater. Kommunen fühlen sich denn auch unter Druck. „Erwerb, Schaffung von Baurecht, Planung und Fertigstellung innerhalb von drei Jahren sind sehr ambitioniert“, sagt Eva Henkel, Pressesprecherin in der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen. „Längere Fristen wären deshalb erstrebenswert.“ An den drei Jahren scheint sich die Bima nicht festzubeißen. Nickel weiß von Ausweitungen auf fünf Jahre. Dennoch: „Es müssen stets die Keulen geschwungen werden.“ Der Personalmangel in mancher Verwaltung dürfte Nickel zufolge keine Ursache dafür sein, dass Planungen stocken. „Das kann man mit einer guten Public-Private-Partnership-Konstruktion lösen. Da lassen sich auch die Kapazitäten für Planungsprozesse zusammenführen“, sagt er und verweist auf Modelle von Heidelberg und Griesheim.
Private Akteure leichter ins Boot holen zu können, sei eine „wertvolle“ Neuerung in der Richtlinie, betont Daniela Schönwälder, stellvertretende Pressesprecherin des Deutschen Städtetags. Der Weiterverkauf von Flächen an Private ist den Kommunen damit möglich, ohne dass sie die Vergünstigung an die Bima zurückzahlen oder sich mit Gesellschaftskonstruktionen, an denen sie weiterhin die Mehrheit haben, verbiegen müssen – sofern sie Verbilligungen an die Käufer weitergeben und diese die Sozialwohnungen auch bauen.
Bima-Chef Krupp betont hierzu passend, Wohnungsbau solle auf mehrere Schultern verteilt werden.So lasse sich schneller Wohnraum schaffen. Eine dieser Schultern will die Bima selbst sein. Sie plant einige ihrer Wohnungsbestände nachzuverdichten. Krupp will auf „einige Tausend“ neue Einheiten im Jahr kommen. Das wiederum geht nur im Schulterschluss mit den Kommunen, deshalb hält er mit genauen Zahlen hinterm Berg. Vorstellbar seien in manchem Bestand ein paar Hundert Einheiten mehr, heißt es aus Bima-Kreisen. „Aber damit werden neue Schmerzgrenzen bei Bewohnern ausgelotet.“ Für Berlin kann Ostermann sagen, dass „theoretisch“ knapp 3.000 Wohnungen möglich sind, in Brandenburg ein paar hundert.
Auch weiterhin hat der Bund nichts zu verschenken. Die Mieten der Bima-Neubauten – obwohl Grundstücke auf der Kostenseite nicht ins Gewicht fallen – sollen sich an den Mietspiegeln orientierten. Nach wie vor gibt es die Verbilligung auf einen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gutachterlich ermittelten Wert, wo etliche Kommunalpolitiker gern weitreichendere Nachlässe für Kindergärten, Schulen, Infrastruktur hätten. Das Ziel der Bundesregierung – mehr Gefördertes – kann jedoch erreicht werden: Mit der neuen Richtlinie und mit gutem Willen. Der ist da. „Sind Flächen auch mit der Verbilligung für Sozialwohnungen immer noch zu teuer, wollen wir eine Lösung finden“, sagt Krupp. cr
© IZ 16 vom 18. April 2019
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