Rechtsprechung und Gesetzesänderungen bieten erweiterte Möglichkeiten, wegen fehlgeschlagener Anlagegeschäfte nicht nur vermittelnde und beratende Banken, sondern auch eingeschaltete freie Finanzberater in die Haftung zu nehmen.
Eine Vielzahl von Publikationen über erfolgreiche Inanspruchnahmen von Banken darf nicht darüber hinweg täuschen, dass nicht selten die Qualität freier Finanzberatung mehr als nur zu wünschen übrig lässt, sondern auch Rückgriffsmöglichkeiten eröffnet. Eine Vielzahl begründbarer Ansprüche verjährt am Ende dieses Jahres, wenn die Verjährung nicht gehemmt wird.
Populärwissenschaftliche Informationen erwecken den Eindruck, die Frage, ob Beratungs- oder lediglich ein Vermittlungsvertrag zwischen dem Finanzberater und dem Anleger zustande kam, entschiede regelmäßig über das Bestehen oder Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen des enttäuschten Anlegers. Folglich wird auch in der gerichtlichen Praxis hierüber zumeist zuerst und heftig gestritten. Nicht selten kommt es aber hierauf nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, welche Erwartungen seitens des Anlegers an seinen Gesprächspartner belegbar nach außen getreten sind und welche Erwartungen das Verhalten des Beraters weckt und ob diese Erwartungen im konkreten Fall erfüllt wurden. Zudem spielt es bei Lichte betrachtet angesichts der wiederkehrenden Versäumnisse von Beratern oft keine Rolle, ob man nun von einem Beratungs- und von einem Vermittlungsverhältnis auszugehen hat. Stets beispielsweise wird der Anleger erwarten können, dass er wahr und richtig informiert wird, soweit er informiert wird. Stets muss der Berater etwaig vorhandene Prospekte der Anlageprodukte zumindest auf Plausibilität fachkundig überprüfen. daran aber fehlt es nicht selten.
Jede unwahre oder verfälschende Aussage ist überdies in jedem Falle pflichtwidrig und führt zu Schadensersatzansprüchen, wenn die Anlageentscheidung des Kunden dadurch relevant mit ausgelöst wurde.
Dem Berater überbürdet die Rechtsprechung Pflichten, die sich (1.) aus der Person des Anlegers ableiten, (2.) aus der Charakteristik der unterbreiteten Anlageprodukte und (3.) ggf. auch aus dem spezifischen Interesse des Beraters am Zustandekommen des von ihm unterbreiteten Anlagegeschäfts. Dabei hat der Grad der Sorgfalt und Qualifikation des Beraters sich an dem messen zu lassen, was an Eindruck gegenüber interessierten Verkehrskreisen erweckt wird.
Danach sind neben den Banken insbesondere Berater von größeren Vertriebsorganisationen rechtlich gefordert, soweit sie mit Beratungsqualität und Unabhängigkeit werben, ein hohes Maß an Qualifikation und Prüfungsaufwand walten zu lassen. Dieser Anspruch der Rechtsprechung soll in einzelnen Fällen durchaus im Widerspruch zu den Ausbildungs- und Qualifikationsanforderungen von Vertriebsorganisationen an deren Berater stehen.
Wie weitgehend der Kunde also zu informieren war, wird im Streitfall vom einschlägig kundigen Juristen zu erheben sein, um daraus mögliche anspruchsbegründende Fehler der Beratung abzuleiten. Deshalb ist auch nicht immer derjenige Kunde gut beraten, der sich einer massenhaft standardisierten Bearbeitung seines Falles unterwirft, statt auf eine individuelle Rechtsberatung zu setzen, bei der nicht selten die interdisziplinäre Hinzuziehung weiterer Fachleute sinnvoll ist.
Die dem Kunden unterbreitete Anlage muss dessen (im Beratungsverhältnis zu hinterfragenden) Anlagezielen und dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen. Jeder Anleger ist daher gut beraten, im Falle von für ihn bedeutsamen Anlagegeschäften zu Beweiszwecken für eine belegbare eingehende Dokumentation jener Verhältnisse und Vorstellungen über das übliche Maß der von Beratern betriebenen Dokumentation zu sorgen. Da hilft beispielsweise durchaus ein Anschreiben an den Berater. Er sollte dabei für ihn nichtssagende ihm unterbreitete Begriffe nicht „aus dem Bauch heraus“ übernehmen. Wer also „kein Verlustrisiko“ eingehen will, sollte das genau so schriftlich und nicht in einer Weise umschreibend niederlegen oder niederlegen lassen, die er im Ergebnis nicht überschauen kann und die sich häufig eben gerade nicht als dasjenige heraus stellt, was der Kunde sich vorstellt. Wer zum Beispiel (nicht selten hohe) Vertriebskosten der Anlageprodukte, einher gehend mit einer Reduzierung von Erlöserwartungen oder Risikoerhöhungen nicht wünsch, sollte nicht nur dem im Provisionsinteresse betriebenen Versuch der permanenten Umschichtung von Anlagen kritisch gegenüber stehen, sondern dies auch so zu Papier bringen, dass es nachweislich der Berater zur Kenntnis nehmen muss.
Wer also sowohl seine persönlichen Verhältnisse umfassend und hemmungslos „in eigene Worte“ gefasst, nachweislich beim Berater abliefert, kann einerseits erwarten, auch im Rechtssinne dazu beraten werden zu müssen. Er wird darüber hinaus bei einem Verstoß gegen derart begründete Beratungspflichten Regress nehmen können. Viele Anlageempfehlungen der Vergangenheit aber stehen in einem derart krassen Widerspruch zu den persönlichen Bedürfnissen des Kunden oder weisen anderweitige krasse Fehler auf, die es lohnt, juristisch überprüfen zu lassen, selbst wenn es an Dokumentation mangelt.
Soweit der Kunde nachweislich Beratung einfordert oder dies nachweislich der Berater angeboten hat, muss er zu Eigenschaften und Risiken der Anlageform und dem speziellen Anlageprodukt beraten. Dies sowohl bezogen auf allgemeine Risiken (z.B. Zinsentwicklung, Währungsrisiken, Konjunktur usw.), wie auf spezielle des Produkts. Hier sollte der Anleger möglichst ebenfalls dokumentierte Belege schaffen, aus denen sich die Kernpunkte der Anlageberatung ableiten lassen. Aber auch wenn diese Belege fehlen, sind nach der Rechtsprechung, etwa im Lichte von Beweiserleichterungen oder von Abtretungsmöglichkeiten Beweischancen eröffnet.
Soweit, wie dies üblich ist, ein Prospekt zugrunde liegt, ist auch dann, wenn lediglich vermittelt wird, der Prospekt sachkundig auf Plausibilität zu prüfen. Werden dabei Auffälligkeiten nicht gesehen und dem Kunden benannt, so ist dies eine Anspruch begründende Pflichtverletzung. Der Berater darf im Falle einer alle wesentlichen Tatsachen umfassenden Beratung wegen Details auf Prospekte und deren Eigenstudium verweisen, soweit sie taugen. Das aber nur dann, wenn der Kunde vor der Anlageentscheidung genügend Zeit für ein Studium hatte und er seiner Bildung und zutage tretenden Auffassungsgabe nach, den Prospektinhalt seiner Bedeutung nach zu erfassen in der Lage ist.
Ins Rollen gekommen ist eine Welle von Schadensersatzklagen auch von Kleinanlegern gegen Anlageberater, insbesondere Banken, als der Bundesgerichtshof die so genannte Kick-Back Rechtsprechung mit seiner aufsehenerregenden Entscheidung vom 19. 12. 2006 begründete, wonach namentlich Banken im Falle von Anlageberatung individuell zur Höhe von Einnahmen aus Abschlüssen vorab zu informieren haben. Aber nicht in jedem Fall von Einnahmen aufgrund von Abschlüssen gilt dies.
Individuell aufklärungspflichtige Rückvergütungen (Kick-Back) im Sinne der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH liegen nur vor, wenn „Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Anlagegesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen”. Davon sind Innenprovisionen zu unterscheiden, bei denen es sich um Vertriebsprovisionen handelt, die für die Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung sowie für eine Platzierungsgarantie gezahlt werden.
Müssen die Banken stets beziffert informieren, wenn sie aus Anlass der Anlage „Kick-back“ im Sinne der Rechtsprechung vereinnahmen und auch weitergehend auf Einnahmen verweisen, gehen die diesbezüglichen Pflichten des freien Beraters nicht ganz so weit. Ebenfalls ungefragt aber muss er auf besonders hohe Provisionen verweisen, widrigenfalls er sich Haftungsrisiken aussetzt. Nicht selten hat der Berater auf Interessenkonflikte zu verweisen. Insbesondere stellt es einen Verstoß dar, wenn sich ein Berater als „frei“ bezeichnet oder den Eindruck seiner Berater – Freiheit erweckt, obwohl dies nicht zutrifft. Der freie Berater hat Angaben allein im Kundeninteresse abzugeben, worauf sich der Kunde ebenso, wie auf eben jene Freiheit verlässt. Bestehen infolge Vertragsbindungen oder anderweitig spezifische Eigeninteressen des Beraters an der von ihm empfohlenen Anlage und offenbart er das nicht, stellt auch dies eine Vertragspflichtverletzung dar.
Verschulden als Voraussetzung für Schadensersatzansprüche wird beim Nachweis objektiver Beratungsfehler vermutet.
Der pflichtwidrig handelnde Berater haftet für alle Nachteile der Anlage, gleich, ob sich sein Fehler gerade auf die Gründe für das Fehlschlagen der Anlage bezog, soweit der Kunde, die Pflichtverletzung hinweg gedacht, nicht abgeschlossen hätte. Im Falle eines Beratungsfehlers vermutet die Rechtsprechung dazu regelmäßig, dass Auf dem vermittlungs- oder Beratungsfehler die Abschlussentscheidung des Anlegers beruht, es sei denn, der Berater entkräftete diese Vermutung erfolgreich.
Soweit nicht bereits Verjährung eingetreten ist, verjähren Schadensersatzansprüche in Altfälle wegen Anlagen vor dem 01.01.2002 spätestens am 31.12.2011. Die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen hemmt deren Verjährung nicht. Nach dem 01.01.2002 begründete Ansprüche und solche, die zuvor begründet wurden, am Stichtag aber noch nicht verjährt waren, verjähren innerhalb einer Frist von drei Jahren seit Kenntnis des Pflichtenverstoßes (oder dessen grob fahrlässiger Unkenntnis), spätestens aber nach Ablauf von 10 Jahren seit Eingehung der Anlage jeweils zum Jahresende. Darüber hinaus regelte § 37a in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung, anwendbar auf Ansprüche, die in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum Ablauf des 4. August 2009 entstanden sind, eine dreijährige wissensunabhängige Verjährung für dortige Anwendungsfälle, von Vorsatz – verschulden abgesehen. Aber auch in diesen Fällen eröffnet die jüngere Rechtsprechung des BGH zur Beweislastverteilung durchaus gute Aussichten, auch nach Ablauf jener Fristen zum Zuge zu kommen.
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