Teure Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur altersabhängigen Staffelung der Urlaubsdauer Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 20.03.2012, dass die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter im vorliegenden Fall nach der Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVöD) Arbeitnehmer unter 40 benachteilige und einen Verstoß gegen das Altersdiskriminierungsverbot darstelle (BAG, 20.3.2012 – 9 AZR 529/10). Die Entscheidung dürfte gravierende Auswirkungen auch im Bereich der Privatwirtschaft immer dort haben, wo vergleichbare Regelungen der betrieblichen Praxis entspringen, in Betriebsvereinbarungen und/oder Tarifverträgen festgelegt oder individuell vereinbart wurden.
Worum ging es bei der Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts? Eine öffentliche Angestellte verlangte, dass ihr vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahrs über den tariflich vorgesehenen Urlaub von 29 Arbeitstagen hinaus jeweils ein weiterer Urlaubstag eingeräumt wird. Die gegenteilige Regelung des für das Beschäftigungsverhältnis maßgeblichen Tarifvertrags in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sah eine altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer vor. Sie berief sich darauf, vergleichbar urlaubsbedürftig, wie Arbeitnehmer von 40 oder älter zu sein, sodass ihre Schlechterstellung sie grundlos wegen ihres (geringeren) Alters diskriminiere. Das angerufene Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. In zweiter Instanz wurde jene Entscheidung auf die Berufung des Arbeitgebers hin abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung auf und gab der Klage der Arbeitnehmerin statt. Das BAG meint, eine Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD diskriminiere Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und verstieße rechtswidrig gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters, hier also der Jugend. Die Urlaubsstaffelung des Tarifvertrags führe nicht dazu, dass einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung zu tragen. Gesteigertes Erholungsbedürfnis gebe es ab dem 30. bzw. 40. Lebensjahr nicht, sodass die Besserstellung von über 39jährigen sachlich unbegründet sei. Daher müsse der Urlaub der wegen jugendlicheren Alters diskriminierten nach oben auf das Niveau der älteren vergleichbar erholungsbedürftigen Arbeitnehmer angepasst werden.
Anhand der vorliegenden Entscheidung wird jedes Unternehmen berechnen können, ob und ggf. welche Mehrkosten in Zukunft entstehen. Bei entsprechenden Regelungen ist es angezeigt, sofort Maßnahmen zu überdenken, will man nicht lediglich „nachziehen“. Dabei wird nicht nur die Frage zu beleuchten sein, ob spezifische Regelungen darauf beruhen, dass die Beteiligten irrig von gesteigertem Erholungsbedürfnis ausgegangen und aus diesem Grund Staffelungsregelungen getroffen haben.
Die Aufgabe der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung dass auch Diebstahl geringwertiger Sachen stets eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt, hat in entsprechenden Fällen zu erheblicher Verunsicherung geführt. Dass das Gericht nachzuprüfen vermag, ob der Arbeitgeber trotz Diebstahls zu seinen Lasten einem Arbeitnehmer weiter vertrauen muss, ist zu Recht vielfach auf Unverständnis gestoßen. So weit, wie gelegentlich angenommen, schützt die geänderte Rechtsprechung Arbeitnehmer nicht. Dies zeigt auch eine jüngst vom Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg erlassene Entscheidung (LAG Berlin-Brandenburg, 10.2.2012 – 6 Sa 1845/11). Es wies die Kündigungsschutzklage eines Einzelhandels – Filialleiters ab, dessen Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen hatte. Der Arbeitnehmer hatte erst einen Beutel Streusand aus der Filiale von ihm geführten Filiale entwendet. Zwei Tage später wurde er am Ausgang mit unbezahlten Waren im Wert von 12,02 Euro ertappt. Der Arbeitgeber kündigte fristlos, ohne zuvor eine Abmahnung ausgesprochen zu haben. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung damit, es bestehe der dringende Verdacht, dass der Arbeitnehmer in zwei Fällen gestohlen bzw. dies versucht habe. Das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen sei zerstört. Dem schloss sich das LAG an. Mit seinem Verhalten habe der Filialleiter das während seiner langjährigen Tätigkeit aufgebaute Vertrauen in seine Rechtschaffenheit unwiederbringlich, also endgültig zerstört.
Dass die gestohlenen Sachen lediglich von geringem Wert gewesen seien ändere hieran ebenso wenig etwas, wie der Umstand, dass der Arbeitnehmer 21 Jahre für den Arbeitgeber tätig gewesen sei.
Es sei dem Arbeitgeber nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Insbesondere gelte das deshalb, weil der Arbeitnehmer eingangs seine Taten bestritten habe. Das LAG sieht zu Recht seine Entscheidung nicht im Widerspruch zur jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehend, welches von der langjährigen Rechtsprechung abgerückt war, dass jeder Diebstahl stets eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertige. In vergleichbaren Fällen wird man eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und dabei insbesondere die Stellung des Arbeitnehmers und die Umstände der Tat und seiner Entdeckung zu berücksichtigen habe. Dies gilt entsprechend auch bei anderweitiger vorsätzlich strafbarer Schädigung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer, etwa im Falle des weit verbreiteten Spesen- und Tankbetrugs. Auch hier wird es in Zukunft in einer Vielzahl von Fällen möglich sein, ohne vorherige Abmahnung das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund aufzukündigen. In jedem Fall sollte man vom Erkennen des möglichen Verstoßes bis zu einer etwaigen Kündigung erfahrene Arbeitsrechtler einschalten, um alle Möglichkeiten der Optimierung des Vorgehens auszunutzen, wenn eine Kündigung des Arbeitnehmers im Raum steht.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte durch Urteil vom 20.01.2009 im Falle Schultz-Hoff entschieden, dass in Fällen längerer Erkrankung und anschließender Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht nach § 7 Abs. 3 S. 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) nicht genommener Urlaub nach Ablauf von drei Monaten seit Ende des jeweiligen zu Urlaub berechtigenden Jahres entschädigungslos verfällt (EuGH, 20.1.2009 – C-350/06, C-520/06). Offen war, wie lang sich in derartigen Fällen Arbeitnehmer auf derartige Ansprüche berufen können. Die gesetzliche Regelungslücke sucht nun das LAG Hamm mit seinem Urteil vom 12.01.2012 zu schließen (LAG Hamm, 12.1.2012 – 16 Sa 1352/11), indem es für den Fall, dass anderweitig nichts tarifvertraglich geregelt ist, von einer Frist von 18 Monaten ausgeht. Zugleich hält es aus Anlass einer anderweitigen Entscheidung eine tarifvertragliche Verfallsklausel, welche 15 Monate vorsieht, für auch EU – rechtlich zulässig und wirksam an (LAG Hamm, 22.2.2012 – 16 Sa 1176/09).
Wegen einer langfristig erkrankten Arbeitnehmerin, auf deren Arbeitsverhältnis der MTV Einzelhandel in Nordrhein- Westfalen anzuwenden war, welcher keine einschlägige Regelung enthält, entschied das LAG, dass Urlaubsansprüche spätestens 18 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen, wenn sie bis dahin krankheitsbedingt nicht genommen wurden. Eine gebotene EU – richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des Bundesurlaubsgesetzes führe dazu, dass an die Stelle des dreimonatigen Übertragungszeitraums nach § 7 Abs. 3 S. 3 BurlG einen 18-monatigen Übertragungszeitraum trete. Bei Bemessung dieser Frist habe Art. 9 Abs. 1 Übereinkommen Nr. 132 ILO, eines internationalen arbeitsrechtlichen Abkommens beachtet, dem die Bundesrepublik Deutschland am 30.06.1972 beigetreten ist, so das LAG. Es hat in beiden Fällen die Revision zugelassen, sodass auf eine abschließende Klärung des BAG, ggf. auch nach Vorlage der Rechtsfragen gegenüber dem EuGH, gehofft werden kann. Einstweilen bieten die gut begründeten Entscheidungen des LAG Hamm aber für den Arbeitgeber vernünftige Anhaltspunkte, wie man verfahren kann. Nach unserer Einschätzung werden die Instanzgerichte zumindest einstweilen den Vorgaben der Entscheidungen des LAG folgen.
Das BAG hat in Fällen dessen Inanspruchnahme nach dem AGG die Stellung betroffener Arbeitgeber zumindest insoweit gestärkt, als es umstritten kurze Fristen zu deren Geltendmachung bestätigte. Zugleich sah es eine unzulässige Diskriminierung Schwerbehinderter als indiziert an, wenn diese auf ihre Behinderung bei der Bewerbung hinweisen, gleichwohl aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.
Werden Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz geltend machen, so muss der Anspruchsteller eine Frist von zwei Monaten seit Kenntnis von Indizien für mögliche Anspruchsbegründende Tatsachen nach dem § 15 Abs. 4 AGG bei deren vorgerichtlicher Geltendmachung wahren. Die Wirksamkeit der Norm in Bezug auf die Regelung der Ausschlussfrist war wiederholt unter Berufung auf vorrangiges europäisches Recht angezweifelt worden. Dem widersprach nun das BAG mit seinem Urteil vom 15.03.2012 (BAG, 15.3.2012 – 8 AZR 160/11). Es stellte fest, dass die Frist wirksam sei nicht gegen europäisches Recht verstoße. Bei Ablehnung einer Bewerbung beginne die Frist dann zu laufen, wenn der Bewerber von seiner Nichtberücksichtigung durch Benachrichtigung des Arbeitgebers erfahre.
Verklagt war ein Bundesland. Es hatte drei Stellen ausgeschrieben. Der spätere Kläger bewarb sich unter Hinweis auf seine anerkannte Schwerbehinderung. Das beklagte Land lehnte den Kläger durch Schreiben an ihn ab, welches er am 02.09.2008 erhielt. Am 04.11.2008 ging beim beklagten Land ein Schreiben des Klägers ein, mit dem er Schadensersatzund Entschädigungsansprüche unter Berufung darauf anmeldete, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Das BAG sah diese Geltendmachung von Ansprüchen der gesetzlichen Regelung des § 15 Abs. 4 AGG entsprechend als verfristet an.
Durch das Ablehnungsschreiben habe der Kläger von Indizien für seine Benachteiligung erfahren. Da er auf seine Schwerbehinderung hingewiesen hatte und abgelehnt worden war, § 82 SGB IX gemäß zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Mit Erhalt des Ablehnungsschreibens am 02.09.2008 habe also der Bewerber die Möglichkeit gehabt, seine etwaige rechtswidrige Benachteiligung geltend zu machen. Daher sei sein Anspruchsschreiben, welches erst nach Ablauf der zweimonatigen Frist des § 15 Abs. 4 AGG eingegangen war, zu spät geltend gemacht worden und daher die Klage abzuweisen.
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