Am 22.5.2014 entschied der Europäische Gerichtshof eine lang umstrittene Rechtsfrage zur Höhe des Urlaubsgeldes.
Neben Grundgehalt gezahlte Verkaufsprovisionen müssen beim Urlaubsentgelt berücksichtigt werden
Bezieht ein Verkaufsberater neben seinem Grundgehalt eine Provision, die sich nach der Zahl seiner Verkaufsabschlüsse bemisst, muss sie bei der Berechnung des während des bezahlten Jahresurlaubs zu leistenden Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 22.05.2014 entschieden. Das hinsichtlich des Urlaubs gezahlte Entgelt dürfe nicht auf das Grundgehalt beschränkt sein, und zwar auch dann nicht, wenn die Verringerung erst nach dem Jahresurlaub eintritt, da anderenfalls zu befürchten sei, dass der Arbeitnehmer wegen möglicher finanzieller Einbußen sein Recht auf Urlaub nicht wahrnimmt (Az.: C-539/12).
Verkaufsberater erhält Grundgehalt und Provision
Der Kläger des Ausgangsverfahrens arbeitet als Verkaufsberater bei British Gas. Seine Aufgabe ist es, Geschäftskunden für den Erwerb der Energieprodukte seines Arbeitgebers zu gewinnen. Sein Arbeitsentgelt setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen: einem Grundgehalt (von zur maßgeblichen Zeit monatlich 1.222,50 GBP) und einer Provision. Die ebenfalls monatlich ausgezahlte Provision bemisst sich nach den tatsächlich vom Kläger erzielten Verkäufen. Dabei wird die Provision immer mehrere Wochen oder Monate nach Abschluss des Kaufvertrags zwischen British Gas und dem Kunden ausgezahlt. Vom 19.12.2011 bis zum 03.01.2012 befand sich der Kläger in bezahltem Jahresurlaub. Im Dezember setzte sich sein Arbeitsentgelt aus dem Grundgehalt von 1.222,50 GBP und einer Provision in Höhe von 2.350,31 GBP zusammen, die er im Lauf der vorhergehenden Wochen verdient hatte. Er hatte 2011 eine monatliche Provision in Höhe von durchschnittlich 1.912,67 GBP bezogen.
Ohne Urlaub anfallende Provision bei Bemessung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen?
Da der Kläger während seines Jahresurlaubs nicht arbeitete, konnte er in diesem Zeitraum auch keine Provision verdienen. Dieser Umstand wirkte sich nachteilig auf sein Gehalt in den auf seinen Jahresurlaub folgenden Monaten aus. Deshalb forderte der Kläger Nachzahlung des Entgeltteils für bezahlten Jahresurlaub, der ihm seines Erachtens für die Zeit seines Urlaubs zustand, und erhob Klage beim Employment Tribunal (Arbeitsgericht im Vereinigten Königreich). Das britische Gericht rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und fragte, ob unter diesen Umständen die Provision, die ein Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs verdient hätte, bei der Berechnung des Entgelts für den Jahresurlaub zu berücksichtigen sei. Außerdem wollte es wissen, wie gegebenenfalls der dem Arbeitnehmer geschuldete Betrag zu berechnen sei.
EuGH: Beschränkung auf Grundgehalt verstößt gegen Arbeitszeitgestaltungsrichtlinie
Der EuGH hat die erste Frage bejaht. Ein Arbeitnehmer müsse während seines Jahresurlaubs sein gewöhnliches Entgelt erhalten. Dies sei hier nicht der Fall. Da der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs keine Provision verdiene und deshalb nach seinem Jahresurlaub nur ein auf sein Grundgehalt reduziertes Arbeitsentgelt erhalte, erleide er einen finanziellen Nachteil, der ihn davon abhalten könnte, seinen Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen. Dies sei umso wahrscheinlicher, wenn die Provision wie beim Kläger mehr als 60% des Arbeitsentgelts ausmacht. Laut EuGH verstößt eine solche Verringerung des Arbeitsentgelts eines Arbeitnehmers in Bezug auf seinen bezahlten Jahresurlaub, die möglicherweise dazu führt, dass er keinen Urlaub nimmt, gegen das mit Art. 7 der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (2003/88/EG) verfolgte Ziel.
Beurteilung der Berechnungsmethode Sache des nationalen Gerichts
Hinsichtlich der zweiten Frage legt der EuGH zunächst dar, dass eine Provision, wie sie der Kläger erhält, bei der Berechnung des Gesamtentgelts zu berücksichtigen ist, auf das hinsichtlich des Jahresurlaubs Anspruch bestehe. Denn die Provision sei unmittelbar mit seiner Tätigkeit im Unternehmen verbunden, so dass zwischen der monatlichen Provision und der Erfüllung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben ein innerer Zusammenhang besteht. Anschließend führt er aus, dass es Sache des nationalen Gerichts sei zu beurteilen, ob das mit der Richtlinie 2003/88/EG verfolgte Ziel erreicht wird, wenn zur Berechnung der geschuldeten Provision auf einen Mittelwert aus einem nach dem nationalen Recht als repräsentativ geltenden Referenzzeitraum abgestellt wird.
Harald Nickel
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