Die nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG erforderliche Schriftform zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG kann auch durch eine Klage gewahrt werden. Dabei finde § 167 ZPO Anwendung, erläutert der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts. Es genüge der rechtzeitige Eingang der Klage bei Gericht, wenn die Klage «demnächst» zugestellt werde. Der Senat halte an seiner früher als obiter dictum geäußerten gegenteiligen Auffassung (NJW 2013, 555) nicht mehr fest.
Die Beklagte des Verfahrens betreibt Hallenbäder und Freibäder. Die Klägerin ist wegen einer Erkrankung an multipler Sklerose mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Nach dreijähriger Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe bewarb sie sich um eine entsprechende Stelle bei der Beklagten, die ihr einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht stellte. Anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes teilte die Klägerin ihre Behinderung mit. Die Beklagte zog daraufhin das Vertragsangebot zurück. Wegen der Behinderung sei die Klägerin nicht in der Lage, die Tätigkeit auszuüben. Die Klägerin erhob ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung Klage auf Schadenersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG, die der Beklagten einen Tag nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zugestellt wurde.
Das BAG hat zugunsten der Klägerin eine Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO angenommen. Dafür hat er sich einer geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2008, 989) angeschlossen. Danach ist § 167 ZPO grundsätzlich auch anwendbar, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnte. Nur in Sonderfällen kommt die Rückwirkungsregelung nicht zur Anwendung. Im Fall des § 15 Abs. 4 AGG sei keine solche Ausnahme gegeben, so das BAG. Es hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage ebenfalls stattgegeben und der Klägerin Schadenersatz in Höhe von 90,40 Euro sowie eine Entschädigung in Höhe von 4.500 Euro zugesprochen. Das LAG dagegen hatte die Klage wegen Nichteinhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG abgewiesen.
Harald Nickel
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